Und jedem Abschied wohnt ein Zauber inne, 
der uns beschützt, und der uns hilft, zu leben. 

Ja, ich weiß. Im Gedicht „Stufen“ von Herrmann Hesse lautet diese Zeile anders. Viel und gerne zitiert wird das „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“. Nur wird dabei genauso gerne übersehen, dass es in diesem Gedicht gar nicht so sehr um Anfänge geht. Sondern viel mehr um die Bereitschaft, Abschied zu nehmen. Deutlich wird das in der letzten Zeile: 

Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde! 

Um Abschied geht es auch in diesem Artikel – und um die Glücksmomente, die in einem Abschied enthalten sein können. Das Thema „Abschied“ verliert viel von seiner Schwere, wenn man sich hin und wieder daran erinnert, dass die meisten Dinge nun mal vergänglich sind. Schwere entsteht durch die Abwehr des natürlichen Prozesses. Die End-lichkeit der Dinge zu akzeptieren ist der leichtere Weg. Das gilt auch für den menschlichen Tod. 

Denn die End-lichkeit des Lebens ist ein natürlicher Prozess. 

Dafür gibt es einen Gedenktag. Iris Willecke rief ihn 2019 ins Leben, zusammen mit einem Projektteam von begeisterten Menschen. Den Mementotag als Erinnerung an die End-lichkeit des Lebens. Am 8. August kann man jedes Jahr die Angebote annehmen und sich auch selbst mit Aktionen beteiligen. 

Einige im Projektteam sind Trauerbegleiter.innen. So geht es beim Mementotag vorrangig um den Abschied von Menschen. Es geht auch darum, den Tod wieder ins Leben zu holen. Als Gesprächsthema. Als Idee für Aktionen. Als Herausforderung. Zur Entspannung.

Das Wort Entspannung an dieser Stelle wundert dich? Es entspannt unglaublich, wenn über wichtige Dinge gesprochen werden kann. Wenn nichts verdrängt wird – weder die eigene Sterblichkeit noch die der Menschen um uns herum. Wenn über das Pragmatische gesprochen werden kann: Patientenverfügung, Testament, Bestattungsformen. Wenn über die Emotionen gesprochen werden darf: Gibt es noch Ungeklärtes? Wie fühlen sich die Beteiligten? Was hilft ihnen, der Situation ins Auge zu sehen?  Der Mementotag lädt ein, sich mit dem Thema in jeder Facette zu befassen. 

Und was hat das jetzt mit Glückskunst zu tun? 

Ja … als Glückskünstlerin inmitten von Trauerbegleiter.innen und Bestatter.innen fühle ich mich schon etwas exotisch. Dennoch passt es. Glück sehe ich als eine Kraft – und die steht uns auch und gerade in den dunklen Momenten des Lebens zur Seite. Es gibt auch diese stille, tiefe Seite des Glücks. Sie ist eine stärkende Begleiterin. 

Auch sonst gibt es erstaunlicherweise selbst im Thema Tod einige glückliche Elemente … das kannst du in meinen drei Glücksbriefen „Mementotag“, „Krematorium“ und „Raum für Tod“ nachlesen.

Außerdem befasse ich mich mit Abschied seltener in Bezug auf das Ende eines Menschenlebens. Mehr mit dem Loslassen innerhalb eines Menschenlebens. Da geht es um Gewohnheiten, Verhaltensmuster und Gedanken. Oder um Dinge. Manchmal auch um Beziehungen, Kontakte. Für Glückskunst liegt das Augenmerk auf der Qualität des Abschieds. 

Denn alles endet … irgendwann.

Jeder Film, jedes Buch. Ein leckeres Essen, eine wunderbare Reise. Jedes Lied, jede Sinfonie. Lebensphasen wie Kindheit und Jugend. Ausbildungszeiten, Berufsleben und Alter. Jede Art von Beziehung kann enden. Freundschaften. Auch Feindschaften. Bei manchen Dingen sind wir ja erleichtert und froh, wenn sie enden. 

Die Frage ist: Können wir uns generell mit dem Thema anfreunden? Wollen wir es einladen und Abschiede jeglicher Art bewusst gestalten? 

Etwas gut zu beenden ist eine Kunst. 

Eine Kunst, die in unserer Kultur noch unterentwickelt ist. Im Bewusstsein vieler Menschen ist nur der Anfang wertvoll und wichtig. Mit dem Schluss mag man sich nicht befassen. Wenn dann doch etwas zu Ende geht, dann können wir uns das gar nicht positiv vorstellen. 

Eine Geburt wird gefeiert. Zu Bestattungen gehen viele lieber nicht oder ungern. Es gibt Hochzeitsmessen und Gaststätten, die damit werben, dass man bei ihnen eine schöne Hochzeit feiern kann. Scheidungen? Dabei denkt man doch eher an einen Rosenkrieg.  

Wenn etwas gut ist, darf es nicht zu Ende gehen.
Wenn etwas zu Ende geht, kann es nicht mehr gut gewesen sein.

Dieser Glaubenssatz ist unbewusst in vielen von uns beheimatet. Er macht es uns schwer, etwas zu beenden. Er macht es uns ebenfalls schwer, etwas auf positive, wertschätzende Art zu beenden. 

Wie handhabst du end-liche Situationen?

Wie gehst du mit Freundschaften um, die nicht mehr stimmen? Lässt du sie im Sande verlaufen, meldest dich einfach nicht mehr? Das ist für beide auf der emotionalen Ebene gar nicht so einfach, wie man das bei diesem bequemen Weg gerne hätte. 

Wie viele Freundschaften oder Beziehungen hast du bewusst und friedlich beendet? Vielleicht mit einem Gespräch, in dem ihr euch noch einmal Wertschätzung gegeben habt? Wie oft habt ihr euch überhaupt eingestanden, dass die gemeinsame Zeit zu Ende war? Sagtet ihr euch beim Abschied gegenseitig, was gut war, wofür ihr dankbar seid? Auch wenn eure Wege zukünftig in verschiedene Richtungen gehen? 

Wie machst du das, wenn du ausmistest und Dinge weggibst? Fällt es dir leicht oder schwer? Findest du das richtige Maß? Genau das Maß an Besitz, das zu dir passt und dir Wohlbehagen verschafft? 

Wie beendest du Situationen? Wir sind es gewohnt, den Beginn zu zelebrieren …  sei es der Empfang von Gästen oder ein Meeting. Am Ende passiert es häufig, dass alle Anwesenden auseinander laufen. Jede.r verlässt das Treffen irgendwann, irgendwie  … und die Sensiblen unter ihnen wundern sich, dass es sich komisch anfühlt. Achtest du in deinem Leben auf ein „rundes“ Ende, auf ein Schließen des Kreises? 

Wie beendest du deinen Tag? Ist er vollgepackt mit Anliegen und Tätigkeiten bis zum Schluss? Und wenn du endlich im Bett liegst, grübelst du noch weiter, bis du endlich erschöpft im Schlaf versinkst? Oder gönnst du dir einen deutlich spürbaren Abschluss? Vielleicht sogar einen kleinen Rückblick? Nimmst du dir Zeit, Danke zu sagen? 

Die andere Seite meldet sich immer.

Des Interessante ist, dass die andere Seite der Medaille sich nicht wirklich eliminieren lässt. Wenn sie verleugnet wird, kommt sie durch die Hintertür wieder rein.

So verschieben wir als Gesellschaft das Sterben und den Tod von Angehörigen in Kliniken und sprechen möglichst nicht darüber. Gleichzeitig werden wir überrollt von Kriegsbildern, Krimis, Thrillern und anderen Darstellungen tödlicher Gewalt. Da zeigt sich dann der Tod wieder, den wir eigentlich nicht ansehen wollen. 

Bei Gegenständen ist es ähnlich … einerseits sollen die Dinge bestehen für die Ewigkeit. Wir bauen Museen für besonders wertvolle Exemplare und stopfen unsere Wohnungen voll mit ausgefeilten Geräten, Kleidung und Statussymbolen. Gleichzeitig stellen wir milliardenfach Dinge her, die wir nur ein einziges Mal benutzen und dann wegwerfen.

Ich plädiere für mehr Akzeptanz der Konsequenzen. Gestehen wir uns ein, dass alles endet. Dass auch Dinge enden können, die wir gerne für immer behalten wollen. Geben wir zu, dass Verdrängen anstrengender ist als Akzeptanz. Denn erst wenn wir es akzeptieren, erst wenn wir die Realität zugeben, können wir einen gesunden Umgang damit finden. 

Wir können jahrhundertealte Gewohnheiten natürlich nicht auf einen Schlag beenden. Doch wir können im Jetzt mit dem Beenden beginnen. Heute und hier. Bei uns selbst.

Wie geht Abschied auf freundlich? 

Falls du hier fertige Antworten und eine Liste zum Abhaken erwartest … tja, dann findet diese Erwartung jetzt ein schnelles Ende. Statt dessen lade ich dich ein, deine eigenen Antworten zu finden. 

Dieser Artikel enthält schon viele Anregungen. Dazu gibt es für dich noch eine kleine Auswahl an Ideen und Tipps, wie der kleine Abschied im Alltag gelingen kann: 

So geht es glücklicher:
  • Finde abends drei Dinge, für die du danken kannst. Beende jeden Tag bewusst mit einem Dankeschön. 
  • Verabschiede jeden Tag mit 5 Minuten bewusstem Atmen. 
  • Lass nur Dinge in deiner Wohnung, die entweder nützlich sind oder mit ihrer Schönheit deine Seele nähren.  
  • Bei allen anderen überlege, ob du sie loslassen kannst – und wie du dabei am erfreulichsten vorgehst. 
  • Bei Gewohnheiten, die dir nicht mehr gut tun: Stell sie dir als ein Gemüse vor und gib sie auf einen imaginären Kompost. Dann bist du sie los und gleichzeitig dienen sie dem Leben noch als Wertstoff. Das hilft dir, sie zu vergessen. 

Das sind erstmal kleine Schritte, überschaubare Momente. Sie summieren sich und ergeben in ihrer Gesamtheit ein neues Muster. Mit der Zeit fallen dir noch mehr Ideen ein.

Und natürlich bist du herzlich eingeladen, beim Mementotag dabei zu sein! 

Kannst du dir vorstellen …

dass du darüber nachdenkst, wie du mit Abschieden umgehst? Und zukünftig umgehen willst? Genauso wichtig: Befühlst du es in deinem Innern? Willst du herausfinden, was deine Gefühlsebene und deine Innere Stimme dazu sagen? Erkundest du neue Wege?

Amrita und Glückskunst wünschen dir viele glückliche Momente dabei! 

 

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Hinweise und Quellen und Links

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Glückskunst:

Du kannst dich gerne begleiten lassen beim Thema Abschied. Oder beim glücklich sein. Mit Einzelsessions, Interaktiven Vorträgen oder Kraftbildern. Hier kannst du schauen, was für dich passt: Eine Auswahl von Amritas Angeboten.

Drei Glücksbriefe befassen sich mit dem Thema: „Mementotag“, „Krematorium“ und „Raum für Tod“. Hier werden sie vorgestellt.

Mit dieser Aktion beteiligt sich Amritas Glückskunst beim Mementotag.

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Wenn du diese weiteren Links anklickst, verlässt du meine Webseite und begibst dich in den Modus der jeweiligen Seite – ob nun wegen Datenschutz oder sonstwas.

Mementotag: 

Hier die Webseite zum Gedenktag: Mementotag

Stufen von Hermann Hesse:

Das ganze Gedicht von Hermann Hesse findest du auf:  hhesse.de/gedichte/stufen

Und hier kannst du es dir anhören: Youtube

Zitat aus Wikipedia: Stufen bei Wikipedia

Inhalt: Jede Lebensstufe, Tugend und Weisheit ist an sich zeitlich begrenzt und blüht zu ihrer jeweiligen Zeit. Der Mensch soll sich also bei jedem Ruf des Lebens mit Tapfer- und Heiterkeit sowie ohne Trauer von seinem alten Lebensstadium verabschieden und einen Neubeginn wagen. Er soll sich außerdem an keiner der Lebensstufen festhalten, da der Weltgeist für ihn keine Einengung, sondern eine Ausweitung von Stufe zu Stufe vorsieht. Hat man auf einer Stufe Heimat gefunden, so droht man in eine Erschlaffung und Lähmung zu geraten. Dieser Stufenprozess ist nicht zwangsläufig schon mit dem Tod abgeschlossen, weil das Leben fortwährend ruft. Somit soll der Mensch den Tod als Genesung betrachten, denn letztlich ist auch er nur der Abschied von einer Lebensstufe. Zitat Ende. 

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Gerne teilen: www.glueckskunst.de

 

 

 

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